Ortsgemeinde Hilgert

Hilgert

Der Name "Hilgert" deutet, wie alle anderen mit der Endung -ert, -roth und rod schließenden Ortsnamen, auf eine Rodung hin. Diese Art der Besiedlung begann nach Vorläufern im 9. Jahrhundert n. Chr., im 10. Jahrhundet verstärkt und dauerte bis zum 14. Jahrhundert.

Die damals entstandenen -rod-Orte- wurden, wie auch die -hausen-Orte-, mit einem Personennamen gebildet und Hilgert dürfte als Rodung eines Hildiger zu den älteren -rod-Orten- gehören, die sich von den späten, mit deutschen und christlichen Vornamen gebildeten Ortsnamen abtrennen lassen. Erstmals genannt wird Hilgert als Teil des Kirchspiels Alsbach im Jahre 1340 als Heymart von der Linden, Klosterbruder zu Laach, der den Vetter des Lupreicht von Hilgert erschlagen hatte, eine Rente für ein ewiges Licht in der Kirche zu Alsbach bestellen sollte. Es scheint, daß es sich hier um einen Angehörigen eines früh erloschenen Ortsadels handelt. Die Herkunftsbezeichnung ist bei einem "Johann van Hilgeroyde" zu suchen, der 1378 als Schneider und Hosenmenger (Hosenhändler) in Köln genannt wird und sicherlich aus Hilgert stammt, denn Salentin von Isenburg verzichtete 1935 auf alle Ansprüche an "Johann van Hilchenrode", Bürger zu Köln. 1376 und 1436 wurde Hilgert zum Bezirk des Gerichtes zu Alsbach als zugehörig erwähnt. Dieses Gericht war im 14. Jahrhundert als Untergericht der Hohen Feste "an dem wysen steyne oben Alspach" gebildet worden. Die Ortsbezeichnung Hilgert hat sich im Laufe der Jahrhunderte aus den alten Ortsnamen Hilgenrode, Hylgenraid by Grenssauwe, Helgenrode, Hilgeroidt, Hilgenrodt, Hilgerath, Hylgartt, Hilgerod und Hilligrot gebildet; sie erscheint 1832 Die von Kleebert, eine nicht ebenbürtige Seitenlinie des Hauses Isenburg hatte in Hilgert 1425 einen Hof. Zuletzt verfügte 1517 Johann von Kleeberg zu Vallendar über den Hof. Über Margreth von Kleeberg, deren Gemahl Johann Wentz von Niederlahnstein war, kam der Hof an die Familie Wentz.

1562 wird unter den Schöffen von Granzhausen ein "Hientz von Wentzenhoeff" aus Hilgert genannt. Neben den Wentz hatten 1718 nur noch die von Reifenberg einen Privathof in Hilgert. Isenburg-Grenzau hatte 1527 hier ebenfalls einen Hof, der "Diethers Gut" genannt wurde. Benannt war er wahrscheinlich nach dem Vater oder Großvater der Grete von Grenzau (1422-1467), die beide Dietrich oder Diether hießen. 1664 kam der Hof an Kurtrier. 1684 wird der Hof "Kapellenhof" und 1697 "Neuer Kapellenhof" zu Hilgert genannt. Der Hof fiel 1802 an Nassau, welches ihn 1810/1811 in Teilen an Einwohner und an den Fürsten zu Wied verkaufte. Hilgert hatte 1664 13 Häuser; davon stand eins leer. 1734 zählte man im Ortsteil Faulbach 35 Untertanen, sieben Witwen und einen Beisaß in 37 Häusern. Darunter in Hilgert allein 22 Kannenbäcker, einen Pfeifenmacher, einige Fuhrleute, zwei Schuhmacher, einen Rotgerber und einen Zimmermann. Faulbach wurde erst spät angelegt, wird 1655 erstmals genannt und erscheint bei einer Aufzählung aller Orte der Nachbarschaft 1525 noch nicht. Die Siedlung hat keine eigene Dorfgemarkung und gehört zu Hilgert. 1664 hatte Faulbach zwei bewohnte und zwei leere Häuser. 1734 wohnten hier drei Kannenbäcker, ein Schreiner und ein Glasner, einen Fuhrmann und eine Witwe in vier Häusern. In einer Zählung der wiedischen Regierung werden 1766 sechs Familien, fünf Häuser und drei Scheunen genannt. Die Wüstung Seelbach (Wüstung bezeichnet man eine von den Bewohnern verlassene Siedlung) lag ca. 1 km südlich von Hilgert am Nordrand des Grenzhäuser Waldes. Noch heute erinnern die Flurnamen Seelbachshahn und Seelbachswiesen an die Existenz dieser alten Ansiedlung.

Bereits 1356 hatten von Isenburg-Grenzau die von Kleeberg in "Seylbach" ein Gut. 1541 deren Erben -die Wentz von Nidferlahnstein- einen Hof mit 25 Morgen Acker und 22 Morgen Hecken zu Lehen. Ein kurtrierischer Lehnsbrief von 1675 kennt Hof noch, doch scheinen die Güter damals schon längst zum Hilgerter Hof der Wentz gekommen sein. Die 1463 bezeugte Lehenshoheit der Propstei von St. Forian zu Koblenz zeigt, daß Hilgert zu deren Zehntbezrik Montabaur gehörte, dessen 959 beschriebene Grenze das spätere Kirchspiel Alsbach hier anschnitt. Diese Zehntgrenzführung spricht in hohem Maße dafür, daß außer der Landshube, die noch 1243 zu Hof Wirges gehörte und deren Hofgebäude noch 1604 auf wiedischer Hoheit lagen und erst dann auf trierisches Gebiet verlegt wurden, auch Hilgert ursprünglich nach Montabaur bzw. Wirges pfarrte. Dafür spricht auch die Aussage des trierischen Lehnsbriefes von 1347 über die Zugehörigkeit Isenburg-Arenfelser Orte zur Pfarrei Wirges. Im Jahre 1349 wird aber Hilgert schon als zum Kirchspiel Alsbach gehörig erwähnt. Die Kirche zu Alsbach wurde wahrscheinlich im 12. Jahrhundert gestiftet. In der Grafschaft Wied war 1564 auf der Honnefelder Synode beschlossen worden, die Gebräuche der röm.-kath. Kirche abzuschaffen. Zu Alsbach wurde die Reformation 1578 eingeführt; somit wurde auch Hilgert evangelisch. Wenig bekannt ist, daß Hilgert zu den ältesten Töpferorten für graublaues Steinzeug gehörte. Funde, die bei Grabungen in Hilgert Ende des 19. Jahrhunderts gemacht wurden und heute im Besitz des Kunstgewerbemuseums der Stadt Köln sind, beweisen dies. Sie lassen erkennen, daß die Töpfer von Hilgert alle Entwicklungsstufen bis ins 18. Jahrhundert hinein mitgemacht haben.

Ein Bruchstück mit einer Rundauflage mit Taubenträgern trägt die Datierung 1617. Eine andere Auflage mit dem Wappen von Wied ist mit 1687 datiert. GR-Krug-Frangmente (GR-Georg Rex) beweisen, daß man in Hilgert im 18. Jahrhundert auch England beliefert hat. Auch fand man in Hilgert einen Rest des Frieses vom Humpen mit der Seeschlacht von Grafalgar und einen Scherben mit der Ansicht von Frankfurt. Humpen mit Stadtansichten scheinen nur in Hilgert gefertigt worden zu sein. Sie fehlen bei den Funden in anderen Töpferorten. Die Töpfer von Hilgert waren mit denen der Nachbarorte in einer Zunft zusammengeschlossen. Ein Verzeichnis aus dem Jahr 1771 zählt damals in Hilgert 46 Meister auf, worunter ca. 36 Schnatzen, die jedoch spitze Krüge machen können (Schnatzen nannte man ungelernte Meister, die keine graublaue Faktorsware - Kaufmannsware machen konnten). Sie verlegten sich ganz auf die Herstellung von Krügen für den Versand von Mineralwasser aus den Quellen von Selters, Fachingen usw., deren Bedarf ständig wuchs. Darunter litt natürlich das Gesamtniveau. Eine Statistik aus dem Jahre 1875 kennt in Hilgert keine Kannenbäckerei mehr; Krugbäckereien gab es noch 10, 1885 noch 4 und 1894 wird nur noch eine mit 2 Beschäftigten genannt. Nach mündlicher Überlieferung soll aber bereits im Jahre 1892 in Hilgert der letzte Ofen Krüge gebrannt worden sein, und zwar bei Karl Mennicken, der in der heutigen Schulstraße seinen Betrieb hatte. Unserer Generation ist Hilgert mehr als Herstellungsort für Tabakpfeifen aus Ton bekannt. Dieser Zweig der Tonverarbeitung entwickelte sich aber anders als die Kannenbäckerei. Er wurde mehr eine Heimindustrie der Kleinbauern, die auf einen Nebenverdienst angewiesen waren. Im 30-jährigen Krieg war das Tabakrauchen, hauptsächlich durch pfälzische Truppen, sehr verbreitet worden. Entsprechend stieg der Bedarf an Pfeifen.

Ursprünglich wurden Pfeifen von Töpfern in Köln hergestellt. Doch dann brachten kölnische Händler Formen mit ins Kannenbäckerland und ließen dort arbeiten. In Höhr werden Pfeifenbäcker 1708 und in Grenzhausen 1722 genannt. In Hilgert gab es 1734 erst einen Pfeifenmacher, 1875 gab es 38, 1894 waren es 42 mit 140 Beschäftigten, 1913 37 mit 160, 1938 25 mit 52, 1948 15 mit 43 und 1961 8 mit 16 Beschäftigten. Es ist allerdings so, dass nicht alle Kleinbetriebe nur Tonpfeifen hergestellt haben. Es wurden teilweise auch Spielwaren aus dem gleichen weißen Ton hergestellt, wie z.B. Spardosen in Form von Äpfeln, Birnen und Tomaten, ferner Kuckucke auf denen man durch hineinblasen deren Ruf nachahmen konnte, Kasperköpfe und dergleichen mehr. Diese Spielwaren wurden meist nach dem Brennen mit Lackfarben bunt bemalt. Im Jahre 1977 gab es nur noch fünf solcher Kleinbetriebe. Ein Pfeifenbäcker stellt noch Tabakpfeifen aus Ton her und brennt sie auch noch auf herkömmliche Art im sog. Pfeifenofen, und zwar ist dies die Familie Lothar Hein in der Schulstraße; ein zweiter brennt die Pfeifen im Elektroofen und die anderen drei Kleinbetriebe stellen Nesteier aus Ton und Schießbudenartikel, wie Tonsterne und Röhrchen zum Aufstecken der Papierblumen usw. her. Hilgert ist heute wegen seiner landschaftlich schönen und auch ruhigen Lage zu einem bevorzugten Wohnort geworden. Das Gewerbe- bzw. Industriegebiet liegt weit außerhalb der bebauten Ortslage. (Auszugsweise veröffentlicht aus der "heimatgeschichtlichen Rückschau" von Kurt Günther, Hilgert).