Am 5. Januar 1945, vor mittlerweile 80 Jahren, kam es zu einem verheerenden Bombenangriff auf Höhr-Grenzhausen.
Bereits im August 1942 wurde die Stadt durch ein größeres Bombardement getroffen, bei dem unter anderem das Hotel Meurer am heutigen Alexanderplatz durch Brandbomben vollständig zerstört wurde. Glücklicherweise gab es damals trotz zahlreicher Schäden und dem Umstand, dass 10 Familien ihr Heim verloren, nur einen einzigen Verletzten.
Die noch weitaus größere Katastrophe ereignete sich am 5. Januar 1945 gegen 13 Uhr: Aus dem dicht bewölkten Himmel über Höhr-Grenzhausen wurden rund 1.000 bis 1.500 Sprengbomben durch einen Bomberverband (vermutlich Flugzeuge der US-Airforce) über dem Umland und dem Stadtgebiet abgeworfen. In Folge der Ereignisse waren 38 Todesopfer und rund 80 Verletzte zu beklagen. Zu den beschädigten/zerstörten Gebäuden gehörten unter anderem das Rathaus, das Amtsgericht und das Bahnhofsgebäude. Auch die Kröbersche Apotheke wurde bei dem Angriff nahezu vollständig zerstört, das Apotheker-Ehepaar sowie ein Enkelkind verloren dort ebenfalls ihr Leben. Bildmaterial von den Zerstörungen ist so gut wie keines vorhanden, da die Nutzung von Kameras streng verboten war. Wer sich eine Kamera leisten konnte, durfte sie nicht benutzen, erst recht nicht um Kriegsschäden zu dokumentieren – dies hätte als „Wehrkraftzersetzung“ oder Spionage gewertet werden können.
Höhr-Grenzhausen galt aufgrund der nahegelegenen V2-Abschussrampen und seiner Nähe zur Militärstadt Koblenz ohnehin bereits als sekundäres Angriffsziel. Ein Fliegeralarm war für viele Menschen bereits ein Teil des Alltags, ob jedoch an dem betroffenen Tag ein entsprechender Alarm ertönte, ist auch unter den Zeitzeugen umstritten. Wirklich geeignete Schutzräume waren jedenfalls kaum vorhanden, so dass die meisten Bewohner auf den Schutz ihres eigenen Kellers angewiesen waren. Bewohner von Grenzau flüchteten zum Teil in den „Grenzau-Tunnel“ der Bahnlinie Engers-Siershahn.
Warum Höhr-Grenzhausen am 05. Januar zum Ziel des Bombardements wurde, ist nicht abschließend geklärt. Mögliche Theorien beinhalten zum einen, dass die V2-Abschussstellen in der Umgebung und deren Versorgungslinien das eigentliche Ziel der Angriffe waren. Zwischen Dezember 1944 und Februar 1945 wurden im Hillscheider Wald etwa 150 Raketen auf Antwerpen abgefeuert. Zum anderen könnte die Bombardierung durch fehlerhafte Navigation (siehe Wetterlage) einer alliierten Bomberformation zustande gekommen sein, die eigentlich die Eisenbahnanlagen des an diesem Tag ebenfalls angegriffenen Koblenz ins Ziel hätte nehmen sollen.
Eine der größten Tragödien an diesem Tag stellte zweifelsohne das Schicksal der Familie Stauber dar. Als Alfred Stauber nach getaner Arbeit am Abend zu seiner Familie in den Ortsteil Grenzau zurückkehren wollte, musste er erfahren, dass seine Frau und sechs seiner sieben Kinder ihr Leben gelassen hatten. Das Heim seiner Familie, ein alleinstehendes Haus am Zoll 7, war von einer Bombe getroffen und vollständig zerstört worden. Seine Frau Irma (36) sowie die Kinder Enno (14), Edith (16), Waltraud (10), Hannelore (9), Ingrid (7) und Karin (1) kamen ums Leben. Seine 17-jährige Tochter Else starb nur wenig später, am 25. März desselben Jahres, durch den Granatsplitter einer verunglückten Sprengung.
Die Gedenkfeier für die Toten der Stadt Höhr-Grenzhausen in der Turnhalle der Schneebergstraße wurde von der NSDAP als Propagandaveranstaltung missbraucht. Statt den Angehörigen die Möglichkeit zur Trauer und Bestattung ihrer Familienmitglieder zu geben, wurden diese öffentlich aufgebahrt und in Reden weiterhin der “Endsieg” beschworen.
Am 13. Januar 1995 wurde der Grabstein der Familie Stauber an der evangelischen Kirche aufgestellt, um stets an ihr Schicksal und das der anderen Opfer zu erinnern – Zivilisten, die durch Krieg und Zerstörung ihr Hab und Gut, geliebte Menschen, und im schlimmsten Fall ihr Leben verloren haben. Menschen, die dem Wahn des „Endsiegs“ der Nationalsozialisten in diesem längst verlorenen und sinnlosen Krieg zum Opfer gefallen sind.
Zum 70. Jahrestag der Bombardierung im Jahr 2015 fand in der Aula der Realschule eine vielbeachtete Veranstaltung statt, bei der 12 Zeitzeugen von ihren persönlichen Erlebnissen am 5. Januar 1945 berichteten. Um diese Zeitzeugenberichte für kommende Generationen zu bewahren, wurde die gesamte Veranstaltung mitgefilmt. Das komplette Video findet sich hier.
Wir bedanken uns an dieser Stelle bei den Zeitzeugen und der Gesellschaft für Stadtgeschichte und Kultur (in dieser Angelegenheit insbesondere bei Rudolf Himmerich) für das stete Bewahren der Erinnerung - auch an die dunkelsten Stunden unserer Geschichte.